Dear Readers, this is the first review about a German book in German. I will not translate this review into English. I’m going to leave my short description of this book here instead: It’s a very philosophical sci-fi novel featuring an aging, sexually frustrated inquisitor and his AI assistant with a very misogynistic holo-Barbie appearance, as well as a handful of ascetic monks and their ethically compromised AI.
Athos 2643 – Nils Westerboer – erschienen am 19. Februar 2022 bei Hobbit Presse, Klett-Cotta.
Beschreibung des Verlags:

Auf Athos, einem kleinen Neptunmond, stirbt ein Mönch. Rüd Kartheiser, Inquisitor und Spezialist für lebenserhaltende künstliche Intelligenzen, ermittelt. An seiner Seite: Seine Assistentin Zack. Schön, intelligent und bedingungslos gehorsam. Ein Hologramm. Für Rüd die perfekte Frau. Doch das Kloster des Athos verbirgt ein altes, dunkles Geheimnis. Rüd erkennt: Um zu überleben, muss er Zack freischalten. Das Jahr 2643: Der Neptunmond Athos ist zum Schauplatz eines unerklärlichen Verbrechens geworden. Die lebenserhaltende KI des Klosters steht im Verdacht, gemordet zu haben. Inquisitor Rüd Kartheiser, ein Spezialist im Verhören künstlicher Intelligenzen, wird mit dem Fall beauftragt. Zusammen mit seiner attraktiven holografischen Assistentin Zack, die ihm durch eine Reihe von Sicherheitsbeschränkungen absolut ergeben ist, erreicht er den kleinen, zerklüfteten Mond. Doch die Ermittlungen der beiden treffen auf Widerstand. Während Zacks anziehende Erscheinung bei den Mönchen Anstoß erregt, entpuppt sich die KI des Klosters als gerissene Taktikerin, die ihr Handeln geschickt verschleiert. Als sich unter den Mönchen ein zweiter Todesfall ereignet, begreift Rüd, dass er mehr als je zuvor auf Zacks Hilfe angewiesen ist. Um ihr Potential auszuschöpfen, trifft er – hinsichtlich ihrer Sicherheitsbeschränkungen – eine folgenschwere Entscheidung.
Meine Erwartungen:
Die Menschheit hat aus irgendeinem Grund irgendwie das Sonnensystem bevölkert. Die Technik hat sich weiterentwickelt. Es gibt Klöster. Also hat die Menschheit weiterhin Religionen, vermutlich monotheistische patriarchale Religionen.
Ein Inquisitor muss in einem Kloster auf einem Neptunmond einen Mord aufklären. Na wenn das nicht nach „Der Name der Rose“ klingt. Wir sind also in der Zukunft, aber sozial doch eher im Mittelalter. Frauen sind an bestimmten Orten verboten und werden, mal wieder, auf ihr Äußeres und ihren bedingungslosen Gehorsam reduziert.
Wie kann man einen Klappentext so sexistisch darstellen? Alles nur Marketingmasche? Steckt hinter dem Buch gar ein feministischer Roman? Wird Zack sich befreien? Wurde der Mord mit ganz viel Finesse durchgezogen? Unter Nutzung der lokalen Begebenheiten und Widrigkeiten?
Mein Fazit – nachdem ich den Roman am Ende von Teil 1 (67%) abgebrochen habe:
Das Buch ist mehr philosophische spekulative Fiktion als ein Science-Fiction-Roman. Die Geschichte mag in der Zukunft spielen, auf einem Neptunmond, es gibt KIs, es gibt eine gruselige automatisierte Fleischzucht, künstliche Gravitation, etc pp. Es gibt ausschweifende, teils extrem langatmige Landschafts- und Planetenbeschreibungen. Es wird mit Sci-Fi Ausdrücken und Abkürzungen um sich geworfen, zu denen oft die (wissenschaftliche) Erklärung fehlt – und nein, ein Appendix, der mir diese Dinge erklären soll, reicht mir hier nicht. Das ist die faule Version eines Sci-Fi-Romans. Abgesehen davon scheinen einige Handlungselemente komplett von den bisherigen spärlichen Erklärungen abzuweichen. So werden, zum Beispiel, die Gravitationsspule und die damit verbundenen Injektionen semi-wissenschaftlich erklärt, und dann ist da dieses Insekt, das offensichtlich der Schwerkraft ausgesetzt ist, bei dem ich mir aber nur schwer vorstellen kann, dass ihm jemand regelmäßig die nötigen Partikel einspritzt.
Wie ich bereits angedeutet habe, der Roman ist sehr philosophisch. Was bei KIs als Hauptcharakteren natürlich nicht weiter verwunderlich ist. KIs in einem Roman fordern geradezu die Diskussion über die üblichen philosophischen, ethischen und religiösen Themen, die als „wer darf über Leben und Tod entscheiden?“ zusammengefasst werden können, heraus. Das macht letztlich auch den Hauptteil der Geschichte aus, das Philosophieren mit den KIs und über die KIs und deren Entscheidungsfreiraum.
Erzählt wird die Geschichte aus Sicht der Gynoid Zack, der KI mit Holoprojektion. Diese Holoprojektion ist fast perfekt nach Rüds Wünschen angefertigt worden, die Brüste sind zum Beispiel etwas zu klein geraten, aber sonst ist sie eine prima Holo-Barbie: gehorsam in allen Lebenslagen, gibt keine Widerworte und lässt sich prima zulabern, wenn Rüd mansplainen muss. Dass sie auch hervorragend seine sexuellen Phantasien erfüllt, erfährt man direkt in der Eingangsszene, einer soft-BDSM Situation. Durch ihre geringe Oberflächenspannung kann Zack nur sehr kurze, sehr dünne Kleidchen tragen. Und immer wenn es Rüd passt, stellt er sie bloß. Egal ob sie dabei gerade allein sind, oder unter Menschen (eigentlich müsste es „unter Männern“ heißen, denn Zack ist die einzige weibliche Figur im Roman). Zack weiß, als auktoriale Erzählerin der Geschichte, netterweise auch häufig was in den anderen Charakteren vor sich geht. Gut, dass sie Rüd einschätzen kann, verstehe ich, aber woher weiß sie so gut über die Gedanken der Mönche bescheid? Das kann nicht alles nur Beobachtung sein.
Die Mordermittlung an sich ist nebensächlich. Mir zumindest war recht früh klar wer es war und warum. Ja, ja, natürlich hab ich nicht zu Ende gelesen und dahinter steckt noch ein größeres Geheimnis, das in Teil 2 des Romans sicher geklärt wird. Aber am Ende des ersten Teils hatte ich definitiv kein Interesse mehr weiterzulesen. Zumal ich schon nach dem Klappentext nicht wirklich Lust auf den Roman hatte.
Ein paar Gedanken, die mir während des Lesens kamen:
- Gynoid? Ganz nah an Gynozid. Überhaupt nicht sexistisch im 21. Jahrhundert, oder? Abgesehen davon, warum Gynoid? Also quasi die weibliche Form von Android. Frau-Droid? Dabei ist die Holo-Barbie ja gar kein Gynoid/Android, sondern nur eine KI, die dank eines Emitters holographisch dargestellt wird.
- Warum muss Zack aus ihren Wahrnehmungen (über den kugelförmigen Emitter), zum Beispiel in der Fleischfabrik, Schlussfolgerungen über die dort arbeitenden Drohnen anstellen? Als KI sollte sie die nötigen Informationen abrufen können.
- Warum kann die KI alles im Raum wahrnehmen, auch wenn der Emitter in Rüds Tasche oder Faust eingeschlossen ist?
- Wenn Zack im „mediterranen Raum“ eine holografische Burka tragen kann, warum kann Rüd ihre Kurven dann nicht auch auf Athos mit angemessener Kleidung bedecken?
- Im 27. Jahrhundert gibt’s weiterhin klar abgegrenzte Länder. Der Shisha-Bar-Inhaber ist anatolischer Herkunft? Die Gründer der Minen auf dem Athos waren Schweden? Erklärung?
- Apropos mediterraner Raum. Wieso wird die Gravitation auf der Raumstation über Neptun(?) wegen des Ramadans reduziert?
- Apropos Raumstation – Wasserstoffmeere bedeuten flüssiger Wasserstoff. Wie hält eine Raumstation dem Druck und den Temperaturen stand? Und der dazugehörigen Gravitation des Planeten? Wasserstoff wird erst ab mehreren Giga-Pascal flüssig. Da hätte ich so gern eine Erklärung gehabt.
- Die Namen der Charaktere wirken extrem mittelalterlich. Einige der Mönche haben sogar alliterative Namen, ich dachte ernsthaft: ich hab’s kapiert, das hier ist eine Satire! Vor allem wenn man „Zack“ für die Holo-Barbie dazu nimmt; weil sie so auf Zack ist?
- Gibt’s auch nur irgendeine sinnvolle Erklärung für die gruselige Fleischzucht? Betonung auf sinnvoll.
- Skleroiden gibt’s auch. Wenn ich das jetzt mit Gynoid vergleiche, dann sind das Hart-Droiden. Geschlechtsneutrale Arbeits-Droiden, die wie ein Golem mittels eines Stück Papiers (hier eines Chips) in der Stirn kontrolliert werden.
- Wo sind die Frauen? Es gibt nur Holo-Barbie Zack als agierenden weiblichen Charakter. Werden die Männer in Fabriken hergestellt? Diese Idee kam mir, nachdem die KI des Klosters ein Problem lösen sollte und erklärte, dass man auf eine Hebamme verzichten könne, man aber dringend einen Kreisler bräuchte, der mit Seilen umgehen kann.
- Das bringt mich zu meiner letzten Frage, was ist ein Kreisler? Stand bestimmt im Appendix, oder? Denn ein Kornfruchthändler (veralteter österreichischer Begriff) wird es wohl kaum sein.
Abschließend kann ich nur sagen, Athos 2643 war definitiv nicht was ich anhand des Klappentexts erwartet hatte. Es war sogar noch schlechter. Ich hatte auf eine Mordermittlung im klassischen Holmes&Watson-Format gehofft; auf eine Holo-Barbie-Watson, die aus ihrem Gefängnis ausbricht; auf mehr Science, weniger Philosophie. Stattdessen hat der Roman das typisch deutsche Sci-Fi-Frauenbild bestätigt: Eine Nackte auf dem Umschlag und „Zacks anziehende Erscheinung“. Ich frage mich, ob ein Roman mit einer weiblichen Inquisitorin und ihrem Holo-Adonis als Assistenten es überhaupt in den Druck geschafft hätte. ABER, das war ja nicht die Botschaft des Buchs, das hab ich sicher alles komplett missverstanden. Ging eigentlich um “Wer darf Gott spielen”.
0/5 Harpy Eagles [bei NetGalley 1/5 Sternen, 0 Sterne mag deren KI nicht 😉 ]
Bent
Ich habe Ihren Review gelesen und bin super froh, diesen nicht vorm Lesen des Buches gesehen zu haben. Auf Grund Ihrer Kritik hätte ich die Finger vom Buch gelassen und damit eines der besten Leseerfahrungen verpasst, die ich in letzter Zeit hatte.
Vorne weg, ein Review zu geben nach dem nur das halbe Buch gelesen wurde, finde ich generell verwerflich.
Dass Sie das Buch nicht mögen ist natürlich Ihre Meinung und das ist auch gut so. Trotzdem hätte ich etwas mehr Objektivität erwartet. Denn, wie Sie selbst bemerkt haben, stammt das Problem daher, dass Ihre Erwartung und dann der tatsächliche Plot sehr weit auseinander liegen. Das könnte durchaus Schuld des Autors sein, der im Klapptext nicht genügend klar gemacht hat, dass es hier mehr um Philosophie geht als um Laserpistolen. Trotzdem finde ich viele Ihrer “Argumente” nicht sonderlich Stichhaltend und würde vielen widersprechen.
Anstatt alle einzeln zu kommentieren, versuche ich Ihre Argumente zusammenzufassen und zu kommentieren.
– Einige handeln von der “Logik” der beschriebenen Dinge. Dies ist angesichts des Sci-Fi Genre doch schon ein komischer Punkt anzubringen. Haben Sie sich auch über Laserschwerter beschwert? Generell würde ich sagen, dass Dinge wie der Emitter in einer Zukunft von 600 Jahren einfach so funktionieren. Die Raumstation fliegt auch im All, nur die “Minen” sind in den Wasserstoffmeeren und sammeln Ressourcen. Gibt es einen Grund, warum Ihnen die “Gravitation Neptuns” so ein Dorn im Auge ist? Denn eine Umlaufbahn in der eine Raumstation mit ein wenig Energie bleiben kann, sollte doch kein Problem sein?
– Ein paar Argumente handeln davon, dass es “Länder” geben solle. Allerdings sind Herkünfte leicht verständlich wenn man bemerkt, dass die Raumstationen und ggf. andere Strukturen die es in dieser Zukunft gibt, nach dem Abbild und mit den Namen der verloren gegangenen Erde gestaltet werden. Daher gibt es Schweden, Deutsche und auch anatolische Gastwirte. Dies erklärt auch die Namen der Mönche, da die Religion tatsächlich noch eine grosse Rolle spielt (was ein Punkt ist, der zum Nachdenken anregen sollte).
– Viel Kritik geht darum, dass Gegebenheiten und Begriffe nicht erklärt werden. Das sehe ich weniger als Problem als die Möglichkeit des Lesers sich vorzustellen wie solche Dinge in Zukunft aussehen könnten. Zusätzlich finde ich sowas wesentlich angenehmer als Erklärungen von anderen Sci-Fi Vertretern, die mit irgendwelchen Pseudoerklärungen um die Ecke kommen.
– Dass Zack nach dem Abbild einer schönen Frau gestaltet ist, ist durchaus nachvollziehbar und ein Nebenaspekt der Geschichte. Auf der islamischen Raumstation und auch für Rüd ist sie eine Frau. Für die Mönche nicht. Daher muss sie auch keine spezielle Kleidung dort tragen. Grundlegend soll sich der Leser fragen ob eine KI die alle Eigenschaften einer Frau hat, eine Frau ist oder nicht.
– Die angestrengte Sexismusdebatte finde ich etwas Mühsam. Es gibt wenige Charaktere in dieser Geschichte. Davon sind die meisten christliche Mönche, natürgemäss Männer. Ich hatte jetzt nicht das Gefühl, dass es sich um eine sexistische Zukunft handelt.
Das Fazit, es würde darum gehen “wer über Leben und Tod” entscheiden darf ist eine ziemlich clichéhafte Aussage und tatsächlich nicht Teil des Plots.
Aus zeitlichen Gründen habe ich bei weitem nicht alles geschrieben was mir beim Lesen Ihres Reviews durch den Kopf gegangen ist und auch hätte ich wesentlich besser strukturieren können. Aber das soll etwas als Gegenposition reichen.
Abschliessend würde ich noch mal wiederholen, dass das Grundproblem die Erwartungen sind mit der das Buch gelesen wurde. Für alle, die gerne angeregt werden darüber nachzudenken welche Probleme Lebenserhaltende KIs der Zukunft haben, und zwar aus philosophischer Perspektive, und inwiefern eine “Intelligence Explosion” die Situation beeinflusst, sollten hier ihren Spass haben.